Sélène bedeutet Mond. Ihr erstes Album (2020) heißt „Mare Undarum“, nach dem Mondmeer – und man könnte sagen, wie das Mondlicht spiegelt auch ihre Musik die verschiedenen Quellen, die ihre bemerkenswerte Karriere als Musikerin beeinflusst haben. Ihr Vater stammt aus Martinique, ihre Mutter aus Frankreich und der Elfenbeinküste. Erst als 18-Jährige, nach dem Baccalauréat, beginnt sie, Kontrabass zu spielen – viel zu spät, wie viele ihr sagen. Doch der Grundstein ist gelegt, die Liebe zum Jazz. Sie entdeckt ihn als freiwillige Helferin beim Django-Reinhardt-Festival in Samois-sur-Seine, nahe ihrem Heimatort 50 Kilometer südlich von Paris.
Ihre Texte sind klug, aber nie manieriert; witzig, aber nie klamaukhaft; melancholisch, aber nie larmoyant. Ihre Stimme ist hell und klar, ihr Gitarrenspiel einfach, aber kompetent. All das würde sie aber noch nicht zu der für ein Jandl-Programm idealen Künstlerin machen. Der wahre Grund, gerade Anna Mabo den Auftrag für unsere zweite Jandl-Premiere zu erteilen, liegt anderswo: erstens in der geradezu kargen Schlichtheit ihrer Poesie, die kein Gramm zu viel inhaltliches Gewicht aufweist; zweitens in ihrem Talent für verblüffende Wendungen und dichterische Hakenschläge. Drittens ist die 1996 Geborene auch eine gefragte Regisseurin und hat bereits knapp 20 Inszenierungen an Theatern in Österreich und Deutschland auf die Bühne gebracht. Sie weiß also mit Texten umzugehen, kreativ, aber werkgetreu.